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Der alte Koffer von...

Der alte Koffer von….

 

Rabenflug ist fleissig unterwegs.

 

Da wir mittlerweile ein grosses Arsenal von verschieden Kräutern, Gefässen, Sprays, Steinen und vielem mehr was wir so benötigen haben, mussten wir und etwas überlegen um die ganzen Sachen zu transportieren. Einen wunderschönen Koffer habe wir ja schon, doch der ist schon ziemlich voll;) Also beschlossen wir uns einmal nach einem zweiten umzusehen.

Modern wie wir sind, machte ich mich im Internet auf die Suche. Vorab klapperten wir aber natürlich noch ein paar Brockenstuben ab. Wir wurden schnell fündig. Da fiel uns gleich ein alter Lederkoffer auf. Da kann man schon fast sagen, liebe auf den ersten BlickJ ufff… aber leider war der Preis sehr hoch… Da wir ja sozusagen ein „Hexen-Start-Up“ sind lag dieser Preis leider weit über unserem Budget. Also versuchten wir den Koffer wieder zu vergessen.

Das war schwerer als gedacht… Immer wieder kreisten unsere Gedanken um den Koffer. Der, ja genau der, und keinen anderen!

Nach dem Spaziergang mit Boy im Wald kam mir die Idee. Ich frage mich was wohl wäre, wenn ich einfach dem Herrn welcher den Koffer besitz einen Vorschlag mache, vielleicht möchte er ja Rabenflug etwas unterstützen. Gesagt getan, noch am gleichen Abend schrieb ich ein Mail.

Nach ca. einer halben Stunde kam bereits eine spannende Nachricht zurück. Leider nicht vom Besitzer des Koffers, sondern von dessen Nachbarn, weil der Herr wegen eines Sturzes ins Spital musste. Er mache uns mega Komplimente bezüglich unsere Homepage. Leider kam auch eine Absage wegen des Preises, da er den Koffer im Auftrag verkaufte. Die zweite Botschaft aber war für uns sehr spannend. Der Koffer soll angeblich dem Meister der magischen Künste gehört haben, nämlich an Herrn Prof. J.Beckerelli.  

Chantal und ich fielen fast vom Hocker weil wir das so toll fanden. Den Koffer müssen wir haben! Freundlich frage ich noch einmal wegen dem Preis, so schnell geben wir nicht auf;) und tatsächlich… er kam uns ein grosses Stück entgegen. Und zufälliger weisse kam noch jemand der unsere Projekte unterstützen wollte und „sponserte“ uns noch den Rest des Koffers. Vielen Dank dafür!

Zwei Tage später stieg ich also ins Auto und fuhr in den schönen Kanton St.Gallen nach St. Margarethen. In einem alten und sehr schönem Haus durfte ich den Koffer entgegen nehmen. Uff war der schwer... Naja der hat ja auch schon viel erlebt! Der Koffer ist über 100 Jahre alt. Ich spürte sogleich eine Energie, Herr Beckerelli. Der Mann gab uns noch eine alte Postkarte von Prof.J.Beckerelli mit, diese hatte sein alter Nachbar auch „gesammelt“ weil er ein Bewunderer war.

Freudehüpfend lief ich zum Auto zurück und machte noch einen kurzen Abstecher nach Österreich, wenn ich schon mal in der Nähe bin.  Auf dem Rückweg wurde ich am Zoll angehalten und auf den Koffer angesprochen. Voller Stolz wollte ich das schöne alte Teil natürlich öffnen, doch der Koffer blieb geschlossen. Keinen Millimeter öffnete er sich. Ich streckte Ihn dem Zollbeamten hin und entschuldigte mich, dass ich ihn nicht aufkriegte. Auch bei den zwei Zollbeamten liess sich der Koffer nicht öffnen. Ich erklärte, dass ich ihn soeben in der Schweiz gekauft hatte und wenn man ihn schüttle, merke man ja, dass er leer ist. Phuuu… Okay ich durfte weiterfahren.

Das war Herr Beckerellis erster Streich bei uns, denn als ich im Auto sass und los fuhr, klickte der Koffer und ging oben einen Spalt weit aufJ

Wir lassen uns überraschen, was er sonst noch so anstellen wird bei uns. Der Meister der magischen Künste!

 

Beckerelli, (Jean Becker 1860 - 1933 (D) 

 Beckerelli wurde in Köln am Rhein geboren und musste nach dem

plötzlichen Herztod seiner Mutter in die väterliche Feinkosthandlung eintreten.

Er trat ab etwa 1880 mit verschiedenen Variététruppen in Lokalen des Rheinlands, des

Ruhrgebiets und Westfalens auf. In Essen lernte er bei einer Truppe seine Frau kennen, die

er nach einigen Jahren in Luxemburg heiratete. Die beiden bereisten zusammen Belgien

und Holland. 

Nachdem sich Beckerelli allmählich einen Namen gemacht hatte, wurde er von besseren

Gesellschaften, Vereinen und Familien engagiert und kam auch an den Hof der holländischen

Königin Wilhelmina, wo er bei den Krönungsfesten mit grossem Erfolg Vorstellung gab.

 

Schliesslich liess er sich in Luxemburg nieder. Grossherzog Adolph lud ihn ein, am dortigen

Hofe aufzutreten. Dank seines Erfolges wurde er zum Hofkünstler ernannt, was ihm Zugang

zu den höchsten Kreisen verschaffte. Das letzte Mal trat er im März 1914 am Hof auf. In der

Schweiz trat er mit etwa 27 Jahren erstmals mit einer Varietétruppe auf. Ab 1889 gab er

Solo-Auftritte in St. Gallen. Während einigen Jahren gab er während der Sommermonate in

Bündner Kurorten Vorstellungen in Kursälen und Hotels.

Beckerelli war eine sympathische Bühnenerscheinung, ein liebenswürdiger Erzähler und ein

sicherer, geschickter Vorführer, der sein Publikum ohne weiteres über eine längere Zeitspanne unterhalten konnte. Dies beherrschte er auch am Tisch, in privater Runde. Legendär wurde seine Vorführung des

 „Kragenknopf-Tricks“.

1914 nahm Beckerelli in St. Gallen Wohnsit. Während der Mobilmachung gab er zahlreiche

Vorstellungen für das Militär und wurde dadurch weit herum bekannt. 

1904 initiierte Beckerelli in Zürich die Gründung des Artistenverbandes (Artistenloge) „Sicher

wie Jold“. Lebenslange Erfahrung als Berufskünstler überzeugte ihn von der Notwendigkeit

der Solidarität unter den Artisten. 

Amüsant und staunenswert ist die Tatsache, dass der Name „Beckerelli“ als Wort und Begriff

in’s „Lötzeburgisch“ eingegangen ist. „Einen Beckerelli machen“ oder „Beckerelli spielen“

kann dort bedeuten, dass jemand eine Täuschung vollbringt oder jemanden arglistig täuscht. 

Beckerelli starb am 3. Oktober 1933 nach kurzer Krankheit an einer Herzlähmung. Am 9.

und 10. September hatte er noch im „Löchlibad“ zwei Vorstellungen bestritten. Er wurde in

St.Gallen als immer noch preussischer Staatsangehöriger beerdigt.

(Text und Bild: Rico Leitner)

 

 

 

 

 

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